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Wann ist Change-Management erfolgreich?

Spätestens seit Covid-19, dem Krieg in der Ukraine und der rasanten Entwicklung der KI-Technologie in den letzten Monaten, gibt es veränderte Rahmenbedingungen für Unternehmen, die die aktuellen Geschäftsmodelle gefährden oder gar unmöglich machen. Gerade in den letzten Jahren hat die Menge dieser Veränderungen exponentiell zugenommen und die Geschwindigkeit der Veränderungen wird auch weiter stark zunehmen.

 

„Die Geschwindigkeit der Veränderung war noch nie so hoch wie heute und wird niemals wieder so langsam sein!“

Justin Trudeau, 2018, Kanadischer Premierminister

 

Die Klimakrise, Digitalisierung und Globalisierung, ökologische Veränderungen, Pandemien, Kriege, die Energiewende, New Work, künstliche Intelligenz, politische Rahmenbedingungen, soziale, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen, etc., seien hier nur exemplarisch genannt. Alle diese Punkte haben eins gemeinsam: Sie sind häufig echte und radikale Game-Changer. Sie verändern manchmal über Nacht einen kompletten Markt. Alle bisher geltenden Regeln und Mechanismen werden von heute auf morgen durch Neue ersetzt.

 

Definition Game-Changer:

 

Ein Game-Changer ist eine Person, ein Unternehmen, ein Produkt oder eine Technologie, die starken Einfluss auf ein Spiel, eine Branche oder einen Markt hat. Ein Game-Changer sorgt dafür, dass bisher geltende Regeln und Mechanismen außer Kraft gesetzt und durch neue ersetzt werden. Dies sorgt dafür, dass sich ein Spiel, eine Branche oder ein Markt (radikal) ändert.

Quelle: bedeutungonline.de, Februar 2021

 

Die Spielregeln für Unternehmen ändern sich radikal in kürzester Zeit. Der profitable Markt von gestern ist heute plötzlich nicht mehr vorhanden. Viele Beispiele haben wir hierzu sehr deutlich in der jüngsten Vergangenheit erfahren.

 

Nur wer in der Lage ist, mit schnellen, effizienten und wirkungsvollen Transformationsprozessen auf die veränderte Lage zu reagieren, wird in Zukunft noch erfolgreich am Markt bestehen können. Die Veränderung, der Change, wird bzw. ist schon zum „Normalfall“ geworden. Die Transformation muss kurzfristig zur „DNA“ im Unternehmen werden. Sie wird damit zur Norm und zum Regelprozess.

Die Unternehmenskultur fungiert dabei als „Enabler“ für die Transformation. Sie kann den Prozess und die positive Wirkung stark beschleunigen oder den Innovationsprozess behindern oder sogar unmöglich machen.

 

Beispielhaft dazu ein Zitat zur digitalen Transformation:

 

„Kultur ist entweder das größte Hindernis oder aber der stärkste Beschleuniger digitaler Transformation wie auch Innovation. Viele Manager glauben, dass ihre Unternehmenskultur bereits digital sei. Aber wenn man ihre Mitarbeiter fragt, dann sehen die das völlig anders.“

Brian Solis, digitaler Analyst, Co-Autor der Capgemini-Studie

 

Die schnelle Anpassungsfähigkeit, die Resilienz und Veränderungskompetenz (die generelle Veränderungsbereitschaft verbunden mit der Akzeptanz von permanenten Veränderungen) werden in Zukunft auch für Unternehmen und Organisationen eine herausragende Bedeutung haben. Der Wandel, der Change, wird vermutlich in den nächsten Jahren die einzige verbleibende Konstante sein.

 

Wie sind die Unternehmen auf die veränderte Situation vorbereitet und wie steht es mit der Veränderungskompetenz der Unternehmen?

 

Dazu einige Studienergebnisse:

 

„In den letzten zehn Jahren haben 85 % der Unternehmen mehr als eine Transformation durchlaufen. Nur 30 % dieser Unternehmen erreichten dabei das gewünschte Ergebnis ihrer Transformation.“

Quelle: Deloitte, 2020, Transformation Champions Studie

 

Die Deloitte Transformation Champions Studie zeigt sehr deutlich, dass die Transformation eine sehr große Herausforderung für viele Unternehmen darstellt. Eine erfolgreiche Umsetzung ist bei weitem nicht selbstverständlich. 70 % aller initiierten Transformationen scheitern oder erreichen nicht das angestrebte Ziel.

 

Auch die Prosci-Studie (www.prosci.com) und die General Electric (GE) Untersuchung zu Veränderungen kommen zu fast gleichen Ergebnissen. Obwohl die Veränderungs- und Transformationsprojekte sorgfältig geplant sind, scheitern die meisten. Dabei hatten über 98 % aller als erfolgslos bewerteten Veränderungsprojekte einen guten technischen Projektplan.

 

Der Projektplan und das Projekt-Management sind also offensichtlich nicht die entscheidenden Erfolgsfaktoren. Aber welches sind die entscheidenden Erfolgsfaktoren? Was machen die 30 % der Unternehmen, die erfolgreich waren und sind, anders als die 70 % der weniger erfolgreichen? Lassen sich „KPIs“ oder Faktoren definieren, die die Erfolgswahrscheinlichkeit der Transformation erhöhen?

 

Einen Teil der Antwort gibt hierzu auch die Prosci-Studie:

Danach sind die Hauptfaktoren für erfolgreiches Change-Management die folgenden Punkte: 

  1. Aktive und sichtbare Unterstützung vom Senior-Management-Team
  2. Strukturierter Change-Management Ansatz
  3. Bereitstellung von Change-Management Ressourcen und Budget
  4. Regelmäßige und offene Kommunikation über die Veränderung und die Gründe dafür
  5. Mitarbeitermotivation- und -einbindung
  6. Zusammenarbeit und Verknüpfung mit dem Projekt-Management
  7. Zusammenarbeit mit und Unterstützung vom Mittel-Management 

Die Punkte sind nach der Relevanz für den Erfolg von Veränderungsprozessen sortiert. Also, die aktive und sichtbare Unterstützung vom Senior-Management-Team ist für den Erfolg des Changes nach der Prosci-Studie der wichtigste Faktor.

 

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die globale IBM-Studie „Making change work“:

Die TOP 6 Antworten auf die folgende Frage: „Welche Faktoren sind für erfolgreiche Veränderungen ausschlaggebend?“ 

  • Unterstützung durch das Top-Management (92 %)
  • Einbindung der Mitarbeiter (72 %)
  • Ehrliche und rechtzeitige Kommunikation (70 %)
  • Motivierende und veränderungsfreundliche Unternehmenskultur (65 %)
  • „Change-Agents“ (Pioniere der Veränderung) (55 %)
  • Unterstützung von Veränderungen durch die Unternehmenskultur (48 %)

 Es fällt auf, dass in beiden Studien der erste Platz identisch ist. Die sichtbare und aktive Unterstützung vom Top-Management ist der wichtigste Erfolgsfaktor. Umgekehrt formuliert bedeutet das, dass die meisten Change-Projekte an der fehlenden Unterstützung vom Top-Management scheitern.

 

Weiterhin sind fast alle anderen genannten Punkte sogenannte weiche Faktoren oder auch Soft Skills. Und genau diese weichen Faktoren bereiten in vielen Change- und Transformations-Projekten die größten Schwierigkeiten.

 

Woran liegt das?

 

Nach meiner Einschätzung und meinen Erfahrungen in deutschen Unternehmen, ist für das erfolgreiche Managen der weichen Faktoren bei vielen Führungskräften ein Change im Mindset notwendig. Die Soft Skills sind nicht so planbar, wie die gut bekannten harten Faktoren. Sowohl der Weg als auch die Ergebnisse sind offen und variabel. Das agile Vorgehen ist häufig unbekannt und Umfang, Qualität und Ergebnisse sind variabel und müssen regelmäßig an die aktuelle veränderte Situation angepasst werden. Eine Situation die von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit geprägt ist. Alles ist plötzlich instabil.

 

Diese neue "VUCA"-Welt führt bei vielen Managern und Führungskräften zu Irritationen und Überforderungen, da die gewohnten Orientierungs-Parameter fehlen oder diese nicht mehr greifen und die Change-Projekte sich nicht mehr in den gewohnten Rahmen und Planungsgrößen und KPIs definieren lassen. Sie sind außerhalb des bekannten Rahmens - out of frame! Und deshalb scheitern so viele Veränderungsprojekte. Die notwendigen Veränderungen auch über Soft Skills zu steuern, werden aufgrund der hohen Unsicherheit ausgeblendet, immer wieder verschoben oder nur halbherzig in Angriff genommen.

 

Das Phänomen aktuelle Veränderungen und Realitäten auszublenden und zu ignorieren ist übrigens nicht neu. Auch aus der Vergangenheit gibt es viele Beispiele, die dieses reflexartige Verhalten der Ablehnung von Neuem belegen. Zu diesem Punkt nachfolgend ein paar zum Teil sehr unterhaltsame historische Zitate zum Thema Fehleinschätzungen und Ignoranz:

  • „Das iPhone hat keine Chance auf dem Markt zu bestehen.“ Steve Ballmer, CEO Microsoft 2007
  • „Ich denke, es gibt einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer.“ Thomas J. Watson, Präsident von IBM, 1943
  • „Ich sage voraus, dass sich das Internet bald zu einer Supernova aufbläht und 1996 katastrophal kollabieren wird.„ Robert Metcalfe, Gründer von 3Com und Erfinder des Ethernet, 1995
  • „Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen wird eine Million nicht überschreiten - allein schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren.„
Gottlieb Daimler, 1901
  • „Wir mögen ihre Musik nicht, und Gitarrenmusik ist auf dem absteigenden Ast.“ Antwort der Plattenfirma Decca Records an den Manager der Beatles, 1962. 

Hierzu auch einige ergänzende und korrespondierende Antworten zu der Frage: „Warum scheitern Veränderungsprojekte?“ aus dem Buch Abenteuer Change-Management, Frankfurt a. M. 2018: 

  • Der aktuelle Zustand ist komfortabel
  • Die Unternehmenskultur bestimmt den Spielraum
  • Es fehlt an glaubwürdiger Führung
  • Menschen wollen nicht Objekt sein
  • Das Loslassen fällt am schwersten
  • Die Interessen unterscheiden sich
  • Das Neue ergibt keinen Sinn
  • Ich will nicht weh tun
  • Alles ist instabil („VUCA“)
  • Change als lineares Programm
  • Ängste bestimmen das Verhalten
  • Das Tagesgeschäft dominiert alles. 

Es geht also nicht mehr alleine um Prozesse, Aufbau- und Ablauforganisation, IT-Systeme und Strukturen, etc. - also grundsätzlich alles linear planbare Projekte, die wir bisher gut im Griff hatten. Sondern zusätzlich um die neue menschliche Seite der Veränderung. Den people site of change. Es ist der Transfer vom Know-How zum Know-Why. Es geht um den tieferen Sinn und die Sinnhaftigkeit dessen, was wir und vor allem warum wir etwas tun.

 

„Change ist ein sozialer Prozess in einem sozialen System und kann nicht wie ein Projekt geplant und gesteuert werden!“

Quelle: Abenteuer Change-Management, Frankfurt a. M. 2018

 

Es geht um eine veränderungsfreundliche Unternehmenskultur, ehrliche und rechtzeitige Kommunikation, Mitarbeitermotivation- und Einbindung, Agilisierung, Einstellungen, Werte und Normen, Selbstverwirklichung, Potentialentfaltung und um sinnstiftende und nachhaltig wirksame Entscheidungen.

 

Das alles sind Soft Skills, die sich in den bisher bekannten und bewährten Systemen aus der Vergangenheit nicht mehr greifen, abbilden und messen lassen. Deshalb ist auch für mich der Ansatz, dass das Change-Management eine Ergänzung bzw. eine Erweiterung zum Projekt-Management ist, viel zu kurz gedacht, um den zukünftigen Herausforderungen der kulturellen Transformation gerecht zu werden.

 

„Culture isn`t just one aspect of the game, it is the game!”

Lou Gerstner Jr., USA, ehemaliger CEO von IBM

 

Die klassischen und bekannten Change- und Projekt-Management Methoden werden in Zukunft alleine nicht mehr ausreichen. Mit dem Weg vom Know-How zum Know-Why beginnt eine neue Reise der kulturellen Transformation. Die Reise zu einer Unternehmenskultur, die die Veränderungskompetenz, die Resilienz und die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens und der Mitarbeiter nachhaltig stärkt. Entsprechend der Ergebnisse aus den o. a. Studien muss die Reise vom Top-Management gestartet werden und für den gesamte Prozess aktiv und sichtbar für die Mitarbeiter unterstützt werden.

 

Die dauerhafte aktive und sichtbare Unterstützung des Veränderungsprozesses vom Top-Management und das Fokussieren auf die Soft Skills und das Stärken dieser bei den Mitarbeitenden, sind die beiden wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche und nachhaltige kulturelle Transformation!

 

Der Beginn des Kulturwandels und das permanente Training innerhalb des Kulturwandel-Prozesses sind zentrale Voraussetzungen, um in Krisensituationen schnell und wirkungsvoll auf geänderten Rahmenbedingungen reagieren zu können. Mit und durch einem Kulturwandel unterstützt durch professionelles und agiles Change-Management, schaffen sie die Grundlagen für die erfolgreiche Bewältigung von Krisen und Herausforderungen in ihrem Unternehmen.

 

„Wir machen nicht Kulturwandel, damit sich alle Menschen wohler fühlen. Wir machen Kulturwandel, um als Unternehmensgruppe dauerhaft überlebensfähig zu sein. Weil, wir waren in der Vergangenheit zu langsam, zu träge, zu sehr in Silos organisiert, zu sehr in Fürstentümern gedanklich unterwegs. Um das alles tatsächlich zu überwinden – deswegen haben wir den Kulturwandel gestartet. ... Das hat in der Corona-Krise irrsinnig geholfen. ...“

Alexander Birken, CEO OTTO Group

 

Carsten Behfeld, Hamburg, August 2023

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